Champions League: Joshua Kimmich glänzt bei Bayerns Sieg gegen Arsenal (2024)

Neue alte Liebe: Die Saison begann für Joshua Kimmich denkbar schlecht, als Thomas Tuchel ihm und der Weltöffentlichkeit in der Sommerpause mitteilte, dass er gern einen neuen defensivstarken Mittelfeldspieler hätte, weil er seine Optionen im Kader (also auch Kimmich) für wenig tauglich hielt. Die deutsche Fußballöffentlichkeit weiß seitdem, was eine »holding six« ist, und auch, dass Kimmich keine ist. Nun spielt Kimmich neuerdings wieder da, wo er bei den Bayern einst angefangen hatte: rechts hinten. Und nach Anfangsschwierigkeiten glänzt er auf dieser Position wieder wie zu besten Zeiten. Gegen Arsenal ließ er defensiv gar nichts zu – und traf vorn zum Sieg. Per Kopf wuchtete er eine Flanke von Raphaël Guerreiro ins Netz und könnte eine schwierige Saison tatsächlich mit einem Titel veredeln.

Das Ergebnis: Der FC Bayern München gewann das Rückspiel im Viertelfinale der Champions League 1:0 (0:0) gegen den FC Arsenal. Damit steht der deutsche Rekordmeister nach dem 2:2 im Hinspiel im Halbfinale und trifft dort auf Real Madrid. Lesen Sie hier das Spiel im Minutenprotokoll nach. Hier geht’s zur Spielmeldung.

Schotten dicht: Vor dem Spiel war viel diskutiert worden, wie Thomas Tuchel seinen dezimierten Kader auflaufen lassen wird. Linksverteidiger Alphonso Davies fehlte gesperrt, Serge Gnabry und Kingsley Coman haben sich – mal wieder – verletzt. Im Hinspiel machte Arsenal vor allem über die rechte Seite von Bukayo Saka Druck. Um mit dessen Tempo mitzuhalten, stellte Tuchel den schnellen, gelernten Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui links hinten auf. Und weil der Marokkaner auf dieser Position am Wochenende gegen Köln sehr fremdelte, bot Tuchel vor ihm zur Sicherheit noch Raphaël Guerreiro auf, seines Zeichens auch in der Verteidigung zu Hause. Für Thomas Müller blieb also erst nur der Platz auf der Bank, die Maßnahme aber zeigte Wirkung: Saka kam nicht durch.

Schach in Fröttmaning: Die Bayern wiederum überließen Arsenal wie schon im Hinspiel weitestgehend den Ball, um auf schnelle Gegenstöße zu setzen. Richtig oft kamen die Bayern in der ersten Hälfte aber nicht durch, Mazraoui schoss aus spitzem Winkel vorbei, Jamal Musiala scheiterte mit einem harmlosen Versuch an Keeper David Raya. Und weil auch Arsenal trotz optischer Überlegenheit außer durch einen starken Schuss von Martin Ødegaard kaum Gefahr entwickelte, sahen die Zuschauer in der Fröttmaninger Arena ein Spiel, das man taktisch geprägt nennen könnte. Oder, wie der bairisch sprechende Teil der Fans sagen würde: »A bisserl zach.« Bayerns Trainer Tuchel und TV-Experte Sami Khedira sprachen von »Schach«.

Wachmacher: In der zweiten Hälfte war die Abtastphase dann schnell vorbei. Kurz nach Wiederanpfiff köpfte Leon Goretzka – auch so einer, den Tuchel nicht als »holding six« sieht – an die Latte, Guerreiro setzte den Nachschuss an den Außenpfosten. Die Bayern waren da, wurden von Minute zu Minute sicherer. Der Führungstreffer von Kimmich fiel nicht aus dem Nichts. So wackelig, ungestüm, teilweise desinteressiert die Bayern in der Liga in dieser Saison so oft gewirkt hatten: Wenn es in der Champions League darauf ankommt, kann sich jeder Spieler steigern.

Augen auf: Die Leistungssteigerung nach der Pause dürfte auch den Zuschauern auf der VIP-Tribüne nicht entgangen sein. Einer von ihnen war Bundestrainer Julian Nagelsmann, der laut DAZN im Stadion war, aber keine Interviews geben wollte. Der Vorgänger von Thomas Tuchel als Bayern-Trainer gilt als heißer Anwärter auf dessen Nachfolge. Was er gesehen hat, dürfte ihm aber sowohl als Bundes- wie auch als möglicher Bayern-Trainer gefallen haben. Manuel Neuer war ein sicherer Rückhalt, über Kimmich muss man nicht reden, Leroy Sané leitete trotz Schmerzen im Schambein die Führung ein, Jamal Musiala dribbelte tapfer. Und auch über diesen Leon Goretzka könnte sich der Bundestrainer noch mal Gedanken machen, zuletzt schaffte er es nicht in den DFB-Kader. Gegen Arsenal zeigte er eine blitzsaubere Leistung.

Zwei Gesichter: Die Bayern gaben die Führung nach dem Tor von Kimmich nicht mehr her und haben nun tatsächlich Chancen auf den größtmöglichen Sieg im europäischen Vereinsfußball. Und das in einer Saison, in der Bayern in der heimischen Liga astronomische 16 Punkte hinter Meister Bayer Leverkusen steht. Angesprochen auf diese Diskrepanz sagte Neuer nach dem Spiel: »Wir müssen jetzt nicht über die Bundesliga reden.« Hat er recht, kurios ist es aber schon, dass eine Mannschaft unter den besten vier Teams Europas steht, die in der Bundesliga chancenlos ist, im Pokal in Saarbrücken scheiterte und nach der angekündigten Trennung von Tuchel noch ohne Trainer dasteht.

Angstgegner: Arsenal spielt eine tolle Saison in England und hat noch Chancen auf den Meistertitel. Gegen den FC Bayern tun sich die Londoner in der Champions League aber traditionell schwer. Seit acht Spielen wartet Arsenal mittlerweile auf einen Sieg gegen die Münchner. Zum bislang letzten Mal gewann Arsenal im März 2013 gegen die Bayern, damals noch in der Startaufstellung: der heutige Trainer Mikel Arteta.